Lebenlanges Lernen, orientiert an EU-Leitlinien zur Validierung
In Österreich wird im Rahmen eines Programm für das Lebenslange Lernen (LLL:2020) seit längerer Zeit intensiv an Verfahren zur «Anerkennung und Zertifizierung von Kompetenzen» gearbeitet, worunter die Umsetzung der 2009 veröffentlichten «Europäischen Leitlinien für die Validierung nicht formalen und informellen Lernens», bzw. der 2015 überarbeiteten Version der Leitlinien verstanden wird. Gemäss den 2012 verabschiedeten Empfehlung zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens“ der EU sind ja die Mitgliedstaaten gehalten, bis 2018 nationale Validierungsstrategien zu entwickeln.
Im Juni 2015 wurde vom zuständigen Bundesministerium Österreichs ein Konsultationsdokument zur «Validierung nicht-formalen und informellen Lernens» publiziert. Es gibt einen guten Überblick über die Entwicklungen der EU-Beschlüsse und Hinweise auf die laufenden Programme in Österreich (insb. S. 12), wie wir sie im Buch «Maurer, Wettstein, Neuhaus: Berufsabschluss für Erwachsene in der Schweiz» Kapitel 8.2, dargestellt haben.
Verständnis des Validierungsverfahrens
Das Verfahren wird in die auch andernorts gebräuchlichen vier Phasen Identifikation / Dokumentation / Assessment/Überprüfung /Zertifizierung eingeteilt. Neu wird zwischen «Methoden und Instrumenten zur Messung, Feststellung und Überprüfung von Kompetenzen und solchen zur Identifizierung und Dokumentation unterschieden. Zu den Ersteren gehören Tests, Prüfungen, Selbstbeschreibungen, Beobachtung, Assessments und Interviews. Zweitere bestehen z.B. in Portfolios, Lebenslauf und Fremdeinschätzung.»
Prüfungen und Test sind also nicht eine Alternative zur Validierung, sondern Mittel im Rahmen eines Validierungsverfahrens.
Interessant und für mich neu ist die Unterscheidung zwischen normativer und summativer Validierung:
«Ansätze der «formativen Validierung» … sind personenbezogen oder individuums-orientiert. Ergebnis ist der Nachweis von Kompetenzen unabhängig von definierten Standards des Qualifikationssystems. Der Fokus liegt häufig auf der Identifikation und Dokumentation von Lernergebnissen.
Ansätze der «summativen Validierung» … sind anforderungs- oder standardbezogen. Ergebnis ist der Erwerb einer Qualifikation (oder eines Qualifikationsteils) aus dem formalen oder nicht-formalen Bereich, d.h., die Lernergebnisse der/des Einzelnen werden anhand der entsprechenden Standards einer formalen bzw. nicht-formalen Qualifikation überprüft und bestätigt. Der Fokus liegt dabei auf der Bewertung und Zertifizierung von Lernergebnissen.» (Konsultationsdokument, S. 7f)
Ausrichtung an den NQR, nicht an Lehrberufen
Am interessantesten finde ich jedoch die bereits im oben genannten Buch erwähnte Ausrichtung auf den Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR).
Es geht um die Frage, an welchen «Standards» sich die «summative Validierung» orientieren soll. In der Schweiz sind dies im Rahmen der Grundbildung durchwegs und ausschliesslich die üblicherweise formal erworbenen Eidg. Fähigkeitszeugnisse und Berufsatteste (EFZ, EBA). Die analogen Abschlüsse Österreichs werden im «Konsultationsdokument» mit keinem Wort erwähnt. Österreich leitet die Standards aus dem NQR ab, bzw. erwartet, dass im NQR neben den formal erworbenen Berufsabschlüssen auch informell und non-formale Abschlüsse mit anderen Inhalten aufgenommen werden: «Der österreichische NQR ist als umfassender Rahmen konzipiert. In seiner Umsetzung sollen sowohl Qualifikationen des formalen Bildungssystems, als auch nicht-formale Qualifikationen (z.B. aus der beruflichen Weiterbildung, Erwachsenenbildung) einem der acht Niveaus zugeordnet werden können.» (S. 8) Bereits heute existieren eine Reihe von Massnahmen zum «Erwerb von Qualifikationen ohne Entsprechung im formalen System (z.B. Weiterbildungsakademie)» (S. 12). Es wird also neben den formal erworbenen Grundbildungen für Jugendliche zusätzlich Abschlüsse geben, die in der Weiterbildung erworben werden, vielleicht ähnlich den «Umschulungsberufen» des deutschen Bildungswesens.
Gleichwertigkeit statt Gleichartigkeit
Österreich strebt also mit der Validierung nicht oder nicht immer eine Gleichartigkeit von formal und nicht-formal erworbenen Qualifikationen an, sondern eine Gleichwertigkeit. Aufgabe des NQR ist u.a. «die Förderung der Durchlässigkeit innerhalb und zwischen den formalen und nicht- formalen Bereichen des Qualifikationssystems im Sinne des lebensbegleitenden Lernens, und damit die Stärkung von Prinzipien und Methoden der gegenseitigen Anerkennung und Anrechnung von Qualifikationen.» (S. 14f)
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass bei den ersten, vom Bund Schweizer Frauenvereine angestossenen Bemühungen zur Schaffung eines schweizerischen Validierungsverfahrens (Buch S. 31) auch eine Gleichwertigkeit von informell erworbenem Können angestrebt wurde.
Quelle: erwachsenenbildung.at